Zum Hauptinhalt springen
Mit Abstecher nach Jekyll Island/GA

Florida
Sunshine State

Sonne und Schatten

Im Florida Visitor Center erwartet uns eine strahlende Dame mit der Energie einer frisch gepressten Orange. In ihrem Element, schenkt sie großzügig Vitamin-C-reiche Flüssigkeit in kleine Becher – der Sunshine State zum Trinken. Gratis! Frisch! Freundlich! Man fühlt sich sofort willkommen. So muss das Paradies anfangen!

Doch kaum hat man den Becher geleert und das Florida-Feeling tief inhaliert, folgt der zweite Akt der Willkommensoperette: der SunPass-Schalter. Oh, wie süß das klingt! SunPass! Man denkt an Sonnencreme, Freizeitspaß und vielleicht einen Gutschein für eine Alligator-Show. Aber nein – weit gefehlt.

Hinter dem charmanten Namen verbirgt sich das glitzernde Hightech-Gesicht der Mautgebühr. Kein nüchternes „Zahl bitte“, sondern ein digitaler Sonnenstrahl direkt ins Portemonnaie. SunPass – klingt wie ein Upgrade in die Business-Class des Autofahrens, ist aber einfach nur: Bezahlsystem für Straßen. So verpackt man Schmerz in Samt.

Das Straßennetz ist nämlich weitgehend privatisiert – privat wie ein Country Club, nur ohne Golf. Dafür mit sehr vielen sogenannten Toll Roads, besonders in den Regionen, in denen man es sich so richtig nicht leisten kann, woanders langzufahren. Ein Ausweichen ist so wahrscheinlich wie Schneefall in Miami.

Aber immerhin: Es gibt kein nerviges Anhalten an Mautstationen. Nein, die Abbuchung geschieht wie von Zauberhand – während du weiterfährst, zahlt dein Konto still und leise seinen Tribut an die Sonnenstaaten-Götter. Maut war noch nie so unsichtbar, effizient – und dauerhaft.

Florida-Fieber –  heiß, laut, groß

Während sich daheim wackere Klima-Aktivisten bei Minusgraden auf Asphalt kleben und die Volksseele auf Betriebstemperatur bringen, genießen wir im Sunshine State im Februar satte 30 Grad. Und damit das auch schön so bleibt, gibt man hier ordentlich Gas – im wahrsten Sinne.

Amerikas Liebling? Der Truck. Riesig, röhrend, durstig. V6 oder gleich V8, Hauptsache Power. Praktisch, wenn man stilecht mit 400 PS zum Gucci-Shoppen rollt. Spritsparen ist was für Spielzeugautos – oder Europäer. Blubb, blubb, schluck… (Disney hätte seine Freude).

Der Liter Sprit? Rund 85 Cent. Ein Hoch auf die Freiheit, den Verbrenner und „what the f**k is Klimaschutz?“ E-Autos? Die gibt’s, theoretisch. Die wenigen Ladesäulen sehen aus wie verlassene Goldgräberstationen – Strom gibt’s vielleicht mit Glück und Gebet.

Unser „Midsize“-Leihwagen: ein V8-Schlachtschiff mit 400 PS. Perfekt für Tempolimits von 80 km/h. Aber hey – think big, burn bigger, und natürlich: make America great again!

So sind sie halt...

Was hier nicht alles big ist! Nicht nur die Autos, auch die Preise: Für ein Standardzimmer zahlt man gern mal 300 Dollar pro Nacht – in Key West auch locker 500. Dafür bekommt man sieben Quadratmeter "Penthouse" mit Klimaanlage auf Arktis-Modus. Frühstück? Extra. Parken? Natürlich. Besteck? Plastik. Teller? Pappe. Flair? Fast-Food. Die gastronomische Subkultur kennt keine Grenzen – nur Mikrowellen.

Corona wirkt übrigens nach: In vielen Hotels wurde der Zimmerservice aus Infektionsschutzgründen gestrichen. Logik? Nun ja – niemand betritt das Zimmer, also besser keiner. Bett selbst machen, Müll rausbringen – aber beim Checkout brav Trinkgeld dalassen. Servicewüste auf 5-Sterne-Niveau: Preise rauf, Niveau runter.

Und sonst? Willkommen in Florida! Hier darf man offen Waffen tragen – ganz ohne Lizenz. Dank des „Stand Your Ground“-Gesetzes reicht es, den Pizzaboten mit einer Bedrohung zu verwechseln: Handy = Waffe, Pizza = Sprengsatz. Klingt schlüssig, sagt der Richter, Klage abgewiesen.

Auch nach der zehnten Reise bleibt man zwischen Staunen und Kopfschütteln hängen. Irgendwie absurd – und doch immer wieder faszinierend. America, the beautiful... in its very own way.

Schön ist es ja schon...

Zum Beispiel die Everglades mit ihrem atemberaubenden Wildlife, die Florida Keys, allen voran Key West – samt fast-physischem Blickkontakt zu Kuba. Ernest Hemingways Geist weht durch seine alte Villa, während draußen Katzen mit sechs Zehen patrouillieren.

Oder die Strände am Golf von Mexiko (Verzeihung, Amerika), wo der Sand so fein und weiß wie Staubzucker durch die Zehen rinnt. Die gigantischen Süßwasserquellen im Landesinneren – türkisblau, glasklar, fast surreal. Und in der kühlen Jahreszeit? Tummeln sich dort Tausende Manatees – Seekühe mit Charme und Figur.

Daytona, wo das Herz des Motorsports im Kreis fährt. Das Kennedy Space Center mit Raketenromantik. Und natürlich: Palm Beach, Fort Lauderdale, Miami – zwischen Little Havana, Art Deco und ganz viel Sonnenbrille.

Wie gesagt: Ein paar Dinge muss man halt ausblenden. Sonst hält man’s nicht aus. Oder man verliebt sich. Oder beides.