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KEIN WELTKULTURERBE, ABER (M)EIN HERZENSORT

FELDKIRCHEN

Maria im Dorn und Lidl am Stadtrand

Zwischen Wanzenburg und WLAN – Heimatkunde für Fortgeschrittene

Früher gab es in der Schule keinen „Geschichtsunterricht“ – damals hieß es noch „Heimatkunde“. In derselben haben wir viel über unsere Heimat – unser nächstes Umfeld – gelernt. Und heute? Tja, heute ist es wichtiger, dass man als Pflichtschüler eher Rom oder London kennenlernt, während man für den Weg nach Glanhofen bereits Google Maps braucht.

Wir haben also gelernt, dass unsere Feldkirchner Gegend schon seit über 4000 Jahren bewohnt ist. Damals war hier noch alles Sumpf – heute würde man „grüne Lunge“ dazu sagen. Der Ossiacher See reichte bis an die damalige Ursiedlung heran, womit die Tiebelmündung wohl Teil des Ortsbildes war.  Irgendwann kamen die Kelten, auch die Römer ließen es sich nicht nehmen, bei uns einen Sprung vorbeizuschauen, und im Jahr 888 soll unser Ort unter dem charmanten Namen „Ueldchiricha“ erstmals urkundlich erwähnt worden sein. Das Dokument stellte sich allerdings als eine Fälschung heraus – Fake News gab’s also schon im Mittelalter! Die tatsächliche erste Nennung war dann irgendwann um 1065 – egal, ist auch lang her.

Das verschlafene Städtchen in Mittelkärnten

Dann kam das Revolutionsjahr 1848, das man in Feldkirchen, übrigens wie vielerorts, souverän verschlafen hat. Kein Aufstand, kein Tumult. Gut, den gab's in Kärnten ohnehin nicht. Aber hier hat man rein gar nichts mitbekommen! Heute kann sowas nicht mehr passieren – Feldkirchen hat immerhin schon WLAN, Influencer und die Kleine Zeitung. Schließlich kam das Jahr 1938 mit einer historischen Wahl, die mit über 99 Prozent Zustimmung einen glasklaren Sieger hervorbrachte – sagen wir mal so: demokratisch geht anders, und trotzdem war niemand darüber vewundert.

Das Rindvieh und das Licht

Wenn wir schon von Wunder reden: Ein solches soll es tatsächlich auch gegeben haben: Vor rund 1000 Jahren kniete angeblich ein frommer Ochse vor einem Dornenstrauch nieder, weil er mitten im "Gedax" eine Marienerscheinung hatte. Strahlend, hell, leuchtend, göttlich (bei Donald Duck würde jetzt "Uff" stehen!). Ein Hirte hätte das ehrfürchtige Rindvieh dabei beobachtet und nachdem Engel die Madonna in die Michaelikirche transportiert, die Gute aber am nächsten Tag wieder im Dornbusch weilte, entschieden sich die gottesfürchtigen Ortsbewohner zum Bau der "Kirche im Feld – Maria im Dorn“. Klingt logisch? Egal, Feldkirchen ist anders, und der liebe Gott muss sich dabei was gedacht haben. Die einen halten all das für eine Legende, die anderen glauben’s bis heute. Hmm: Ein knieender Ochse und die Maria..., naja, mag sein, vielleicht war's aber nur Rinderwahn – oder Krippenbaukurs?

Unterirdischer Weitblick

Kommen wir zum Geschichtsverständnis mancher unserer Kommunalpolitiker, das schon immer… sagen wir: "kreativ" war. Für "unsere lebendige Geschichte“ hat man jedenfalls ein bemerkenswert konsequentes Händchen – nämlich das zum Zuschütten. Kaum kommen bei Bauarbeiten römische Münzen, keltische Scherben oder mittelalterliche Mauerreste ans Tageslicht, sind sie auch schon wieder im Dunkel der Geschichte verschwunden – oft innerhalb weniger Tage. Einebnen oder Beton drauf, fertig ist das kulturpolitische Meisterwerk. Archäologie à la Feldkirchen: entdecken, ignorieren, zubetonieren. Ein unterirdischer Weitblick – im wahrsten Sinne des Wortes – der sich leider mitunter oberirdisch fortsetzt.

Von Wanzenburg bis Einkaufsnacht

Unweit vom Hauptplatz steht der Bamberger Amthof, von Einheimischen liebevoll „Wanzenburg“ genannt – unser, neben der Pestsäule und dem Schüsselbrunnen, vermutlich einziges echtes touristisches Highlight. Und während der liebe Gott früher noch Wunder schickte, wurde in der Neuzeit, ganz ohne metaphysisches Zutun und ohne Dornenstrauch, eine FH errichtet.

Ganz andere Glanzlichter der Stadtgeschichte verdienen ebenfalls Erwähnung: 2019 war es endlich so weit – die heiß ersehnte neue Weihnachtsbeleuchtung wurde installiert! Ein wahres Lichtermeer der Hoffnung. Sie allein ist natürlich nicht schuld daran, dass die Stadtkasse heute klingt wie eine leere Blechdose – aber sie hat zumindest dabei geholfen, diese Leere festlich aussehen zu lassen.

Zum Ankurbeln der Wirtschaft greift man daher Jahr für Jahr tief in dieselbe Trickkiste: Krämermarkt, das Fest mit den Rubbellosen – aber vor allem die legendäre Wintereinkaufsnacht. Sie findet stets Ende November statt, just zu einem Zeitpunkt, wenn bei den Leuten das Weihnachtsgeld noch NICHT auf dem Konto ist. Wahrscheinlich ein pädagogisches Experiment in Sachen Budgetdisziplin.

Es war halt einmal…

Früher war hier alles anders – und gefühlt besser. Es gab Brauereien, eine bekannte Schnapsbrennerei, Leinenweberei, Mühlen, zig Handwerker, die Eisdiele Eisbär, den Lomberger, die Rockfete, Kool & The Gang spielte am Hauptplatz (kein Scherz!) und es gab jede Menge Gasthäuser mit „Fleischbank“. Man gönnte sich ein frisch Gezapftes, spießte mit Zahnstochern den mitgebrachten „warmen Lebakas“ auf und vertiefte sich mit anderen Wirtshausgästen in Gesprächen. Ja, man redete noch miteinander. In der Kirchgasse und der Bahnhofstraße war die Hölle los! Heute eine urbane Wüste. Man trifft sich eher in amerikanischen "iss und schleich dich wieder-Tempeln", oder in der Tanke, benebelt von aromatisierten Kohlenwasserstoffen und stiert auf sein Wischhandy. Zu Hause lädt sich der inzwischen vegan und Laktose intolerant gewordene Feldkirchner online einen glutenfreien Veggie-Burger herunter, kaut ihn vor seiner Playstation, während er Reels davon postet und Emojis verschickt.

Es gab sie immer…

...die echten Feldkirchner Originale. Solche wie einst den Wachsenberger Pepe, den Gråf Vike und den einen oder anderen feuchtfröhlichen Gendarmen, der das St. Ulricher Feuerwehrfest dem Wachzimmer gerne vorzog. Sie alle waren oft Stadtthema – mitunter wochenlang. Doch an sie erinnert sich kaum noch jemand. Heute dreht sich alles um Supermärkte mit Rabattmarkerl, um Handelsketten am Stadtrand, die unsere hübsche Biedermeier-Innenstadt mehr und mehr entvölkern und den dort standhaft verbliebenen Betrieben das Leben schwer machen – so wie überall halt.

Und trotzdem: Heimat mit Herz

Doch bei aller Ironie und bei allem Augenzwinkern: Feldkirchen und seine liebliche Umgebung ist und bleibt eine lebens- und liebenswerte Stadt. Mit wunderbaren Menschen, Kulturleben, Geschichte, Schmäh und Herz. Mit Hügeln, Seen, Kirchen, „Wanzenburg“, Wochenmarkt, Wintereinkaufsnacht und kniendem Ochsen. Welche andere Stadt kann da schon mithalten?