Florida
Sunshine State
Sonne und Schatten
Im Florida Visitor Center begrüßt eine freundliche Dame die Reisenden. Sie schenkt becherweise herrlich frisch gepressten Orangensaft aus. Ein heimisches Topprodukt. Wow, das fängt gut an – a warm and free welcome! Dass aber nicht alles for free ist, merkt man spätestens ein paar Meter weiter: Hier verkauft man sog. SunPasses. Oh, wie charmant das klingt! SunPasses! Florida-Erlebnisse, gratis Eintritte, Coupons, Services? – Schon schlägt das Touristenherz höher! Nichts von all dem – weit gefehlt! Hinter dieser hübschen Bezeichnung verbirgt sich das Abbuchungssystem für die Florida-Straßenmaut. Nicht so vulgär wie Mautgebühr oder Vignette, nein, SunPass eben. Blechen wird als dein Herzenswunsch erlebbar gemacht. Das Autobahnsystem ist weitestgehend privatisiert, deshalb gibt es viele, sehr viele "Toll Roads" – speziell in den Ballungsräumen, wo man ihnen kaum auskommt. Zumindest gibt es kein Chaos durch Mautstellen.
Environmental protection unknown!
Während sich zu Hause einige Verwegene selbst bei Eiseskälte auf die Straßen picken und auf diese Art die Gemüter anderer erhitzen, hat es hier, im Sunshine State, im Feber, schon an die 30 Grad. Damit es auch so bleibt, tut man alles dafür 🧐. Denn Pkw sind durchwegs mit V6 oder V8 Motoren bestückt, haben annähernd Lastwagengröße und sind nicht gerade solch Sprit sparende mickrige Spielzeugbüchsen, wie daheim! Blubb, blubb, blubb, schlürf, schluck... (um in Disneys sondersprachlichem Wortschatz zu bleiben). Egal, der Sprit kostet umgerechnet ohnehin nur läppische 85 US-Cent je Liter! „Umweltschutz, Klimakleber – what the f**k ist that?” Spott und Gelächter im Plastikland. Spannend ist auch, was man in der Heimat des weltgrößten Batterieauto-Produzenten eher seltener antrifft: Erraten – es sind E-Autos! An den rudimentär vorhandenen Stromsäulen erinnern an verfallene Tankstellen in den Wüsten des Wilden Westens. Allzu gerne überlässt man den Europäern in Sachen Umweltschutz den Vortritt. Bestellt man einen „Midsize“ Leihwagen, bekommt man, wie wir, ein V8-Benzinschiff mit 400 PS. Ideal für erlaubte Geschwindigkeiten rund um 80 km/h! Think big and make America great again! So geht's, und sie lieben "the best President ever!"
So sind sie halt...
Andere Preise wiederum sind inzwischen durchaus big: Standardzimmer kosten um die 300 Dollar pro Nacht, manchmal, wie in Key West, sogar sportliche 500,- für ein sieben Quadratmeter „Penthouse“. Frühstück und Parken extra, und wenn überhaupt, nur mit edelstem Plastikbesteck und auf Papptellern. Die gastronomische Subkultur in diesem Land ist grenzenlos! Um die Gesundheit der Gäste ist man dennoch bemüht: Corona bedingt – und das ist kein Scherz – ist in vielen Hotels und Motels der Zimmerservice eingestellt. Wegen Infektionsgefahr, obwohl ohnehin niemand im Zimmer ist. Hnnnh? Das heißt: Betten selber machen, aber ja nicht auf das Trinkgeld vergessen! Preise rauf, Niveau und Moral runter!
Und sonst? Tja, da gibt's noch einige Besonderheiten: Offen Waffen tragen, auch ohne Lizenz, ist Einheimischen in Florida ebenso erlaubt, wie das Erschießen von Pizzaboten auf dem eigenen Grundstück nach dem „Stand Your Ground-Gesetz“ 😳. Man muss hinterher dem Richter nur glaubwürdig erklären können, dass man das Handy des Pizzaboys für eine 38er Spezial und die selbst bestellte Pizza für eine Tellermiene gehalten hat. Klingt plausibel, oder? Klage abgewiesen. Auch nach unzähligen Reisen in dieses Land bleiben Staunen und Kopfschütteln an der Tagesordnung. Aber spannend ist es immer! Und trotzdem irgendwie schön.
Everglades & more!
Schön, wie zum Beispiel die Everglades mit ihrem atemberaubenden Wildlife, die Keys, allen voran Key West und der „beinahe Blickkontakt“ mit Kuba, Ernest Hemmingways Spirit in dessen Villa, die Strände am Golf von Mexico – mit Sand, so fein und schneeweiß wie Staubzucker, die größte Ansammlung von Süßwasserquellen der Erde mit gigantischen türkis-blauen Schwimmlöchern und glasklarem Wasser, in dem sich in der kühleren Zeit Tausende Manatees tummeln, Daytona, wo das amerikanische Herz des Motorsports schlägt, das Kennedy Space Center und Cape Canaveral, die schicken Städte von Palm Beach über Fort Lauderdale bis Miami mit dessen quirligem Little Havana oder dem Art Deco District…
Wie gesagt, ein paar Dinge muss man ausblenden.